Autor:innen & Übersetzer:innen

Anne-Marie ALBIACH

Geb. 1937 in St. Nazaire, wuchs in Südfrankreich auf, verbrachte nach dem Studium fünf Jahre in England. Seit ihrem Langgedicht État (1971) gilt sie als eine zentrale Figur der französ. Lyrik. Ihre Kunst beruht auf einer Ökonomie der Mittel, ihre Sprache ist puristisch, oft abstrakt, dabei komplex u. mehrdimensional, doch nie ohne Sinnlichkeit. Mit der amerikanischen objektivis-tischen Poesie sampathisierend – sie hat Louis Zukofsky (1904-1978), den Kopf dieser Bewegung, übersetzt –, waren ihr der Lyriker und Freud-Anhänger Jean Jouve, Georges Bataille, aber auch Racine wichtig. In ihren Texten lehnt sie Metaphern oder einfache Bilder ab. Nach eigenem Bekunden liebt Albiach „das Spiel mit der Grammatik und der Syntax …, arbeitet häufig mit Leerstellen …“ Atem und Musik im Text haben eine größere Bedeutung für sie als das persön-liche Erleben, das sie ins Überpersönliche transponiert. Für sie ist Poesie die Erkenntnis des Verlustes, die weder das Staunen noch die Intensität ausschließt. Sie stand in Verbindung mit den Dichtern Emmanuel Hocquard u. Claude Royet-Journoud, mit dem sie die Literaturzeit-schrift Siècle à mains herausgab, in der sie als Erstes ihre Übersetzung von Louis Zukofskys A-9 veröffentlichte. Alle drei übersetzten zeitgenössische Lyrik aus dem amerikanischen Englisch u. wurden zu verschiedenen Zeiten von den amerikanischen Dichtern Keith u. Rosmarie Waldrop in deren einflussreichem Kleinverlag Burning Deck übersetzt u. veröffentlicht.
Erschienen: Flammigère (1967), Etat (1971), Le double (1975), Mezza voce (1984), Figure vocative (1985), Le chemin de lèrmitage (1986). Posthum: La Mezzanine, le dernier récit de Catarina Quia (2019), urspr. nicht zur Veröffentlichung bestimmt, hg. von Claude Royet-Journoud u. Marie-louise Chapelle. Albiach starb 2012 in Neuilly-sur-Seine.
2024 erschienen: eine Gesamtausgabe ihrer Werke in schwedischer Übersetzung, sowie Gespräche, die Francis Cohen 2006-07 mit ihr über ihr Schreiben führte: Conversations avec Anne-Marie Albiach dans l'escalier, u. sein Essay État, une politique de l'imprononçable, beide im Verlag Éric Pesty.

Bettie I. ALFRED

Geb. 1972 in Mainz, lebte ab 1982 in Berlin. Autorin von Prosa, Lyrik und Hörspielen, deren Regisseurin, Produzentin und Sprecherin in einer Person sie ist. In den 2000er Jahren erste Auftritte auf Lesebühnen. 2023 erschien ihre Kurztextesammlung Sehnsucht-Einseitiges als Buch. Eine meist uneindeutige und somit tragikomische Gefühlswelt kennzeichnet ihr Werk. Nach eigenem Bekunden ist es ihr "ein Anliegen die tristen Seiten des Lebens anzuerkennen (...) Die Sprachlosigkeit zwischen den Zeilen interessiert sie mehr, als alle Tatsächlichkeiten zusammen". Das gelingt ihr auf so verschroben humorvolle Weise, dass ihr im heimischen "Balkonstudio" selbst produziertes Hörspiel Zauderwut (RBB 2020) Hörspiel des Monats wurde. Derzeit arbeitet sie unter wechselnden Titeln an ihrem ersten Roman.

Amineh ARANI

Drehbuchautorin, geb. 1990 in Teheran. Studierte Schauspiel, machte 2017 den Regieabschluss beim Verband junger Filmemacher und schloss 2019 mit dem Master in Theaterregie an der Universität für Kunst und Architektur Teheran ab. Thema ihrer Dissertation: Semiotik zeitgenössischer französischer minimalistischer Werke. Als Schauspielerin spielte sie beim Internationalen Theaterfestival Teheran, wurde ausgezeichnet beim Internationalen Universitätstheaterfestival, gewann Darstellerpreise beim Einakter-Festival und dem Basirt Theater Festival. Sie produziert selbst Dokumentar- und Experimentalfilme, verfasst Drehbücher für Kurzfilme, die auf zahlreichen internationalen Festivals gezeigt wurden, war Co-Autorin des Gewinners des Gläsernen Bären bei der Berlinale 2023. Als Dozentin für kreatives Drama und Theaterspiel arbeitete sie mit Kindern und Jugendlichen. Sie spielte im iranischen Film „Die Saat des heiligen Feigenbaums“ von Mohammad Rasoulof, der beim Filmfestival von Cannes 2024 den Spezialpreis der Jury gewann, und kehrte aufgrund der Drohungen des Mullah-Regimes nicht in ihre Heimatstadt Teheran zurück. Zurzeit lebt sie in Marseille.

Samuel BECKETT

Geb. am Karfreitag 13. April 1906 in Dublin, gest. 1989 in Paris. Irischer Schriftsteller, der auf Englisch u. Französisch schrieb. Gilt als einer der bedeutendsten Autoren des 20. Jahrhunderts u. erhielt 1969 den Nobelpreis für Literatur. Seine wichtigsten Werke sind möglicherweise die Romane Murphy (1938), Molloy und Malone meurt (1948, erschienen 1951) u. das Theaterstück En attendant Godot (1948). - Seit Becketts 100. Geburtstag 2006 liest Leopold v. Verschuer jedes Jahr am 13. April dessen frühe Erzählung Erste Liebe vor, während der Dada-Cellist Bo Wiget manchmal Cello spielt u. dazu grölt oder andere Dinge tut. - Alles Weitere ein andermal.

John CAGE

Geb. 1912 in Los Angeles, gest. 1992 in New York City). US-amerikanischer Künstler, der als einer der weltweit einflussreichsten Komponisten des 20. Jahrhunderts gilt, sowie als Schlüsselfigur für die Ende der 1950er Jahre entstehende Happeningbewegung u. wichtiger Anreger für die Fluxusbewegung u. Neue Improvisationsmusik. Seine literarischen Texte erschienen ab 1961 und tragen Titel wie Silence, Vortrag über nichts (übersetzt von Ernst Jandl), Empty words oder Empty minds. Er beschäftigte sich auch gerne mit Pilzen. So, das reicht.

Francis COHEN

Geb. 1960 in Paris, Dichter, Essayist u. Publizist. Zuletzt erschienen von ihm 2024 Conversations avec Anne-Marie Albiach dans l'escalier [Treppengespräche mit Anne-Marie Albiach] und der Essay État, une politique de l'imprononçable [Staat, eine Politik des Unaussprechlichen], beide im Verlag Éric Pesty, sowie 2025 sein siebter Gedichtband Name im Verlag Furo, Genf. Er verwendet in seinen Gedichten deutsche Wörter, ohne nach eigenem Bekunden des Deutschen mächtig zu sein, da sein deutscher jüdischer Großvater vor den Nationalsozialisten aus Deutschland fliehen musste.
Zusammen mit Leopold v.Verschuer gibt er ab Mai 2025 das deutsch-französische poetische Flugblatt Un bureau sur le Rhin - Ein Büro auf dem Rhein heraus.

Wolfgang HILBIG

Geb. 1941 in Meuselwitz (Thüringen), gest. 2007 in Berlin. War nach Schulzeit u. Wehrdienst bis 1978 Arbeiter im Braunkohletagebau bei Meuselwitz, machte sich ab 1979 als Schriftsteller selbständig u. lebte in Ostberlin und Leipzig, ab 1985 in der Bundesrepublik, nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 wieder in Berlin. Trotz einer kurzzeitigen Delegierung durch seinen Betrieb 1967 nach Leipzig in den Zirkel schreibender Arbeiter u. der Unterstützung des Autors Franz Führmann um 1980, stieß die "schwarze Romantik" seines Schreibens in der DDR auf Unverständnis. 1979 erschien sein erster Lyrikband Abwesenheit im westdeutschen Fischer-Verlag, ebenso 1989 sein Romandebüt Eine Übertragung. Hilbig ist ein Ausnahmeautor, dessen Dichtung sich aus der Tradition der Moderne von Rimbaud u. Mallarmé, von Expressionismus u. Surrealismus u. dessen Prosa sich von Kafka herleitete. Dabei blieb sein Grundthema "die Doppelexistenz als Arbeiter und Schriftsteller in der DDR" (M.L. Bott, 2003) u. "die Selbstgründung und Entwicklung eines Dichters, der sich aus der Enge des Schweigens befreit und hinaustritt in den unendlichen Raum der poetischen Sprache" (J. Hosemann, 2008). Grandios sein streckenweise rätselhaftes Langgedicht Prosa meiner Heimatstraße, in dem er u.a. die gewaltlose Revolution, die 1989 zum Mauerfall führte, als "Epiphanien der Heillosigkeit, Labyrinthe der Zermarterung, „Saturnische Ellipsen“, (...) mit schier alttestamentarischer Wucht" beschreibt (Peter Geist, 2002). Unter zahlreichen Auszeichnungen sind hervorzuheben: der Ingeborg-Bachmann-Preis 1989 u. der hochverdiente Goerg-Büchner-Preis 2002. Dieser Dichter verdient, in viele Sprachen übersetzt zu werden!

Dagmara KRAUS

Geb. 1981 in Breslau/Polen. Deutsche Lyrikerin u. Übersetzerin. Studierte Komparatistik u. Kunstgeschichte in Leipzig, Berlin u. Paris, Literarisches Schreiben am Deutschen Literatur-institut Leipzig, promovierte 2019 an der FU Berlin im Fach Literaturwissenschaft und lehrt derzeit Literarisches Schreiben an der Universität Hildesheim. Seit 2009 Veröffentlichungen als Lyrikerin bei kookbooks, Urs Engeler u.a., Übersetzungen aus dem Polnischen (Miron Białoszewski, Edward Stacgura, Joanna Mueller) u. dem Französischen (Frédéric Forte). Formlust und Innovationsfreude kennzeichnet ihr spielerisches, sprachkritisches Schreiben. Dafür wird sie 2025 mit dem Oskar Pastior Preis ausgezeichnet.

Ulrich MARX

Geb. 1960 in Brühl. In Köln lebender Schauspieler u. Autor von Theaterstücken, die von der inklusiven Theatergruppe THEATERKÖNIG Köln aufgeführt werden, aber auch eines umfangreichen Werks an Prosa u. Lyrik, das er nicht gewillt ist zu veröffentlichen.

Friederike MAYRÖCKER

Geb. 1924 in Wien, dort gest. 2021. Gilt als eine der bedeutendsten zeitgenössischen Schriftstellerinnen im deutschen Sprachraum. Diese Stellung verdankte sie in erster Linie ihrer Lyrik, Erfolg hatte sie aber auch mit Prosa u. Hörspielen. Vier davon verfasste sie gemeinsam mit Ernst Jandl, mit dem sie von 1954 bis zu dessen Tod im Jahr 2000 zusammenlebte. - „Ich lebe in Bildern. Ich sehe alles in Bildern, meine ganze Vergangenheit, Erinnerungen sind Bilder. Ich mache die Bilder zu Sprache, indem ich ganz hineinsteige in das Bild. Ich steige solange hinein, bis es Sprache wird.“ (2007 in einer ORF-Programmzeitschrift)

Valère NOVARINA

1942 bei Genf geb. französischer Autor von Theaterstücken, deren Umfang, Personenreichtum (2567 Figuren in Le Drame de la vie) und Vielfalt der Sprachformen übliche Theaterdimensionen sprengt und deren einzige Handlung die Sprache selbst ist. Seit 1986 inszeniert er sie daher regelmäßig selbst beim Festival d'Avignon und an großen Pariser Theatern, seit 2007 ist er im offiziellen Repertoire der Comédie Francaise. Sein Gesamtwerk erscheint im Pariser Verlag P.O.L. Deutsche Übersetzungen erschienen im Alexander Verlag und im Verlag Matthes & Seitz Berlin, Theaterstücke in den Anthologien Scène (Verlag der Autoren u. Theater der Zeit) u. der Zeitschrift Theater der Zeit oder sind im Gustav Kiepenheuer Bühnenvertrieb als Manuskripte erhältlich. - (s.a. KUNSTLEUTE)

Monika RINCK

Geb. 1969 in Zweibrücken. Veröffentlichte zahlreiche Gedichtbände (z.B. Champagner für die Pferde) und Essays (z.B. Risiko und Idiotie), scheut weder Klugheit noch Komik. Sie schätzt die Zusammenarbeit mit anderen Künsten u. Autoren, so auch in ihren Übersetzungen aus dem Ungarischen zus. mit Orsolya Kalász. Seit 2023 ist sie Professorin an der Kölner Kunsthochschule für Medien (KHM). Sie ist Mitglied des PEN Deutschland u. Berlin, der Akademie der Künste Berlin u. der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung u. erhielt mehr Auszeichnungen als in 3 Zeilen passen (31), zuletzt den Friedrich-Hölderlin-Preis 2022. Ihr jüngster Gedichtband Höllenfahrt & Entenstaat erschien 2024 bei Kookbooks Berlin u. handelt vom Autoverkehr.

Kathrin RÖGGLA

Geb. 1971 in Salzburg, österreichische Autorin. Schreibt Prosa, Essays, Hörspiele und Theaterstücke und gilt als eminent politische Autorin. Sie scheut keine Komik, arbeitet experimentell u. sprachkritisch mit dokumentarischen Verfahren wie der Mündlichkeit der Schrift u. entwickelt daraus einen eigenen Sound. Sie erhielt mehr Auszeichnungen als in 3 Zeilen passen (31), zuletzt den Heinrich-Böll-Preis 2024, ist Mitglied des PEN Deutschland, der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung sowie der Akademie der Künste Berlin, deren Vizepräsidentin sie von 2012 bis 2024 war. Seit 2020 hat sie eine Professur für Literarisches Schreiben an Kunsthochschule für Medien Köln (KHM). 2025 wurde ihr Theaterstück Kein Plan (Kafkas Handy) am Theater an der Ruhr Mülheim uraufgeführt und erschien ihr Essayband Nicht hören. Nicht sehen. Nicht sprechen. im Fischer-Verlag.

Claude ROYET-JOURNOUD

Geb. 1941 in Lyon, gilt als einer der wichtigsten französischen Dichter nach 1968, er entwickelte einen sparsamen Stil, der Adjektiv u. Metaphern meidet und die Implikationen der Buchseite als Bühne für eine Poetik der Immanenz erforscht: "das Wort, der Körper, das Buch" (Michael Palmer), die Geschichte liegt ebenso in der Stille (dem Weiß der leeren Zeile) wie in den Zeichen. Mit Anne-Marie Albiach gab er 1963 bis 1970 die Literaturzeitschrift Siècle à mains heraus, der weitere unter teils unausprechlichen Namen, zum Teil täglich erscheinend, folgten. In den 1960ern begann er, amerikanische Poesie ins Französische zu übersetzen, darunter Werke von Keith Waldrop u. dem Objektivisten Louis Zukofsky. Gemeinsam mit Emmanuel Hocquard gab er zwei Anthologien amerikanischer Poesie heraus. Werke von ihm wurden ins Englische (v. Keith Waldrop), Griechische, Spanische, Italienische, Portugiesische, Rumänische u. Litauische übersetzt. 2021 erhielt er den Grand Prix de Poésie für sein poetisches Gesamtwerk. 2024 erschien der 4. Band seiner 4. Gedicht-Tetralogie: Une disposition primitive im Verlag P.O.L.

Gerhard RÜHM

Geb. 1930 in Wien, österreichischer Komponist u. Lyriker. Mitgründer der sprachkritisch experimentellen Wiener Gruppe, die sich gegen den traditionsorientierten Konservatismus richtete, der in Österreich auf den kulturellen Kahlschlag der Zeit des Nationalsozialismus folgte. Rühm produzierte seit Anfang der 1950er Jahre Lautgedichte, Zahlengedichte, Sprech-partituren, visuelle Poesie, Photomontagen und Buchobjekte, auch Werke der experimentellen Poesie für zwei Stimmen, die er gemeinsam mit seiner Frau Monika Lichtenfeld (1938–2023) vortrug. 1972-1996 Prof. an der Hochschule für bildende Künste Hamburg, seit 1978 Mitglied der Freien Akademie der Künste Hamburg. Unter zahreichen Auszeichnungen: Großer Österreichi-scher Staatspreis für Literatur (1991), Karl-Sczuka-Preis (für Hörspiel, 1977 u. 2015), America Award in Literature (2022). Lebte lange in Köln, seit 2023 wieder in Wien.

Leopold VON VERSCHUER

Geb. 1961 in Brüssel, Deutscher Übersetzer aus dem Französischen u. umgekehrt, übersetzt insbesondere seit 1995 Valère Novarina, aber auch Texte von Alvaro García de Zúniga, Mariette Navarro, Diogène Ntarindwa, Jean Daive, Olivier Py, Céline Arnault, Francis Cohen, Boris Charmatz. Gibt ab Mai 2025 zus. mit Francis Cohen das deutsch-französische poetische Flugblatt EIN BÜRO AUF DEM RHEIN * UN BUREAU SUR LE RHIN heraus, für das er pro Ausgabe 3 zeitgenös-sische französ. Gedichte ins Deutsche u. 3 zeitgenössische deutsche Gedichte ins Französische übersetzt. (s.a. KUNSTLEUTE)